„Alles was direkt vom Feld kommt, hat Zukunft. Wir können die Menschheit nicht mit lauter Produkten ernähren, die über das Tier gehen. Das ist eine wahnsinnige Verschwendung von Energie und Rohstoffen und belastet die Umwelt. [...]
Der Trend ins Vegetarische ist unaufhaltsam. Vielleicht isst in hundert Jahren kein Mensch mehr Fleisch.“
Helmut Maucher, Generaldirektor von Nestlé von 1990 bis 1997,
in „Die Wirtschaftswoche“, 1994
Der Zusammenhang zwischen dem Konsum von Tierprodukten, der Zerstörung der Umwelt und dem fortschreitenden Klimawandel ist inzwischen hinreichend bekannt. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) führte 2006 18 % aller Treibhausgasemissionen weltweit auf Tierprodukte zurück, es kursieren allerdings auch weitaus höhere Zahlen. So stehen einer wissenschaftlichen Veröffentlichung aus dem September 2021 zufolge etwa 35 % der gesamten anthropogenen Treibhausgasemissionen weltweit im Zusammenhang mit dem Ernährungssystem, wobei Tierprodukte doppelt so viele Emissionen verursachen wie pflanzliche Lebensmittel. In jedem Fall trägt die globale Fleisch-, Milch- und Eierproduktion mehr zur Klimakrise bei als der gesamte globale Verkehr, der für 13,5 % der Treibhausgasemissionen verantwortlich ist. Diese Zahlen zeigen: Klimaschutz fängt auf dem Teller an!
In der landwirtschaftlichen Tierhaltung zum Einsatz kommende Substanzen wie z. B. Antibiotika, zur Futterbehandlung eingesetzte Pestizide sowie in den Ausscheidungen
der sogenannten Nutztiere enthaltene Schadstoffe (Ammoniak etc.) vergiften die Böden und verpesten das Grundwasser. So ist die Intensivhaltung heute hauptverantwortlich für das Waldsterben und
gilt als eine der Hauptursachen für die Wasserverschmutzung. Auch der Regenwald am Amazonas fällt der vor allem in den Industrieländern vorherrschenden Gier nach Tierprodukten zum Opfer: Jedes Jahr wird eine Fläche gerodet, die der Größe Englands entspricht. Etwa 70 % dieser entwaldeten Flächen werden in Weideflächen für „Nutz“tiere umgewandelt und ein großer Teil des Rests wird zum Anbau von Sojapflanzen genutzt, die zur
„Lebens“mittelproduktion gezüchteten Tieren als Futter dienen. Nur ein verschwindend
geringer Anteil des in Brasilien angebauten Sojas ist direkt für den menschlichen Verzehr gedacht. Doch hier geht es nicht nur um eine gigantische Verschwendung von Ressourcen: Die
fortschreitende Vernichtung des Regenwaldes ist für 17 % der globalen Treibhausgase verantwortlich und führt zudem zur Auslöschung unzähliger Pflanzen- und
Tierarten.
Die
großflächigen Brandrodungen im Jahr 2019 haben weltweit für Empörung gesorgt und großes mediales Interesse erfahren, sodass heute ein größeres Bewusstsein über den Zusammenhang zwischen dem
Konsum von
Tierprodukten und der Vernichtung der grünen Lungen der Erde herrschen dürfte als je zuvor.
Das Ökosystem Meer leidet unter der Gier nach Fleisch genauso wie das Ökosystem Erde: Die Meere sind überfischt, ihr ökologisches Gleichgewicht ist gefährdet und viele
Arten sind vom Aussterben bedroht. Die Fischerei mit modernen Technologien wird von einigen Kritikern für die zerstörerischste Aktivität gehalten, die zurzeit auf unserer Erde stattfindet.
So hat beispielsweise die weit verbreitete Schleppnetzfischerei, bei der ein sehr großer Teil des Fanges als unverwertbarer Beifang tot oder sterbend zurück ins Wasser geworfen wird (über 90 %
bei der Garnelenfischerei mit Schleppnetzen), katastrophale ökologische Auswirkungen. Zudem sind der Fischfang und die Intensivhaltung an Land zwei Seiten der gleichen Medaille: Ein erheblicher
Teil der Fischfangausbeute landet nicht als Fischfleisch, sondern als Rindfleisch, Schweinefleisch etc. auf den Tellern von Fleischkonsumenten, denn an die 40 % der gesamten Fangmenge wird als
Tierfutter verwendet, dient also dazu, Tiere in Intensivtierhaltungsbetrieben (u. a. auch in Aquakulturen gezüchtete Fische) schlachtreif zu mästen.
Um die globale Nachfrage nach Fischfleisch zu befriedigen, reicht die klassische Fischerei jedoch nicht aus. Heute stammt jeder zweite Fisch, der für den menschlichen Verzehr getötet wird, aus der Aquakultur, die nichts anderes ist Intensivtierhaltung unter Wasser und enorme Risiken für die Umwelt mit sich bringt. Da Fische und andere aquatische Lebewesen in Aquakulturen hauptsächlich mit Wildfischen gefüttert werden, tragen Aquakulturen zudem direkt zur Überfischung und Ausbeutung der Weltmeere bei.
Dass eine auf
Tierprodukten basierende Ernährung keine Zukunft hat, ist offensichtlich. Verdoppelt sich der Fleisch- und Milchkonsum zwischen 2000 und 2050 wie prognostiziert,
bedeutet das die Zerstörung des Ökosystems Erde. Daran würde auch ein kompletter Umstieg auf regionale und/oder ökologisch erzeugte Produkte nicht viel ändern: Selbst Fleischesser*innen, die
ausschließlich regionale Bio-Produkte kaufen, weisen eine weitaus schlechtere ernährungsbedingte Klimabilanz als Vegetarier*innen und insbesondere Veganer*innen auf.
Bio-Tierprodukte
sind außerdem in vielen Fällen klimaschädlicher als Tierprodukte aus der konventionellen Haltung – und zwar immer dann, wenn Tiere in der Bio-Haltung länger leben. Das ist beispielsweise bei Hühnern
der Fall: Hühner aus der Nicht-Bio-Haltung werden im Durchschnitt 42 Tage alt, während „Bio-Hühner“ im Alter von etwa 80 Tagen geschlachtet werden. (In beiden Fällen werden die Tiere im Kindesalter
getötet, denn Hühner können um die 10 Jahre alt werden.) Wenn die Tiere länger leben, benötigen sie auf ihre Lebenszeit gesehen aber natürlich mehr Ressourcen wie Futter und Fläche. 500 Gramm
Bio-Hühnerfleisch sind somit klimaintensiver als die gleiche Menge an Hühnerfleisch aus der sogenannten Massentierhaltung.
Tierproduktekonsum und Umwelt- sowie Klimaschutz vertragen sich also nicht.
Gemäß dem Klimaschutzgutachten des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft aus dem Jahr 2016 könnten im Vergleich zu der im Jahr 2006 in Deutschland gängigen Ernährung durch eine Ernährung gemäß den zum damaligen Zeitpunkt geltenden DGE-Empfehlungen 9 %, durch eine vegetarische Ernährung 20 % und durch eine vegane Ernährung 38 % an Treibhausgasemissionen eingespart werden. Die Zahlen zeigen das Potenzial pflanzenbasierter Ernährung und da die planetaren Grenzen selbst dann gesprengt werden würden, wenn wir uns alle nach den im Jahr 2021 gültigen Empfehlungen der DGE ernähren würden, ist es unbedingt erforderlich, dass wir dieses Potenzial nutzen! Im Moment ist die deutsche Bevölkerung allerdings sehr weit davon entfernt, dies zu tun, weshalb die DGE in ihrem im Juni 2021 veröffentlichen Positionspapier zur Nachhaltigkeit als Ziel bewusst nur eine „nachhaltigere Ernährung“ ausgerufen hat. In diesem Papier, mit dem sich die DGE verpflichtet, neben der Dimension Gesundheit zukünftig auch die Dimensionen Umwelt, Soziales und Tierwohl in ihren Aktivitäten zu berücksichtigen, wird also bewusst eine nachhaltigere, aber keine wirklich nachhaltige Ernährung als Ziel formuliert, weil aufgrund der aktuellen Konsumzahlen einfach nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine solche den Bürger*innen schmackhaft zu machen ist – ein echtes Armutszeugnis für Deutschland.
Durch eine Umstellung auf eine an den Empfehlungen der EAT-Lancet-Kommission
(siehe Abschnitt Gesundheit) ausgerichtete Ernährung, die einen bedeutend geringeren Anteil an Tierprodukten (insbesondere an Milch und Milchprodukten) vorsehen als die DGE-Empfehlungen, könnte sehr viel mehr erreicht werden. Einer WWF-Studie aus dem März 2021 zufolge würde sich der Flächenbedarf im Vergleich zum Status quo bei einem Wechsel zu einer flexitarischen Ernährung gemäß den EAT-Lancet-Empfehlungen um 18 %, bei einem Umstieg auf eine vegetarische Ernährung innerhalb der Vorgaben der EAT-Lancet-Kommission um 46 % und bei einer Umstellung auf eine vegane Ernährung innerhalb der Vorgaben der EAT-Lancet-Kommission um fast 50 % reduzieren. Ähnlich sieht es in Bezug auf die ernährungsbedingten Treibhausgasemissionen aus: Alleine durch die Umstellung auf eine flexitarische Ernährung gemäß den EAT-Lancet-Empfehlungen könnten die Treibhausgasemissionen in Deutschland um 27 % gesenkt werden, bei einem Umstieg auf eine vegetarische Ernährung innerhalb der EAT-Lancet Vorgaben wäre eine Verringerung um 47 % möglich und bei einem Wechsel zu einer veganen Ernährung innerhalb der Vorgaben der EAT-Lancet-Kommission eine Reduzierung um 48 %. Laut dieser Studie entfallen aktuell etwa 25 % des Klimafußabdrucks einer in Deutschland lebenden Durchschnittsperson auf die Ernährung, wobei Tierprodukte mit 69 % – Fleisch mit 44 % und andere Tierprodukte mit 25 % – den größten Anteil ausmachen.
Je pflanzenbasierter die Ernährung, desto besser die ernährungsbedingte Umwelt- und Klimabilanz – so lautet auch das Ergebnis der sogenannten Oxford-Studie. Diese an der Universität Oxford durchgeführte, im Juni 2018 veröffentlichte Studie, bei der die Auswirkungen der Lebensmittelproduktion auf die Umwelt untersucht wurden, gilt als die bisher umfassendste Arbeit in diesem Bereich. Die Autoren – von denen einer noch während der Arbeit an der Studie auf eine vegane Ernährung umstellte – kommen unter anderem zu dem Schluss, dass selbst das umweltfreundlichste Tierprodukt umweltbelastender ist als ein pflanzliches Alternativprodukt. Ihr Fazit: Die effektivste Maßnahme, die jede*r Einzelne ergreifen kann, um die Umwelt zu schützen, ist die Umstellung auf eine vegane Ernährung.
Auch in verschiedenen Veröffentlichungen des Weltklimarats (IPCC) ist nachzulesen, wie wichtig es ist, dass gesamtgesellschaftlich ein Wechsel zu einer stark fleischreduzierten, überwiegend
pflanzlichen Ernährung erfolgt.
Ohne eine solche Transformation des
Ernährungsverhaltens und die damit einhergehende Reduzierung der Tierbestände
ist es nicht möglich, die Erderwärmung auf 1,5 bzw. 2 Grad zu begrenzen. Um innerhalb kurzer Zeit eine signifikante Senkung der Treibhausgasemissionen zu erreichen, hat das
IPCC in seinem im August 2021 veröffentlichten ersten Teil des Sechsten Sachstandsberichts eine Reduzierung des Ausstoßes des Treibhausgases Methan als zentrale Empfehlung formuliert. Methan hat
in den ersten 20 Jahren seiner Freisetzung eine etwa 80-fach stärkere Treibhauswirkung als Kohlendioxid, kann aber auch schneller als dieses in der Atmosphäre abgebaut werden.
Um das große Potenzial auszuschöpfen, das hier besteht, müssen die richtigen Hebel bedient werden – und als einer der wichtigsten gilt der Abbau der
„Nutztier“haltung, insbesondere der landwirtschaftlichen Haltung von Wiederkäuern wie Rindern, die zu den größten Methan-Emittenten überhaupt gehören.
Wie wir uns ernähren, ist alles andere als Privatsache, vor allem auch deshalb, weil die vielfältigen negativen Auswirkungen der Produktion von Fleisch, Milch etc. auf die Umwelt und das Klima uns alle betreffen und unser aller Zukunft gefährden. Spätestens die verheerenden Hochwasser im Westen Deutschlands, die im Sommer 2021 viele Todesopfer gefordert haben, dürften auch dem*der Letzten klar gemacht haben, dass die Klimakrise keine abstrakte, ferne Gefahr ist, sondern ein sehr reales Phänomen mit Auswirkungen, die überall zu spüren sind. Weltweit kommt es immer öfter zu klimabedingten Naturkatastrophen wie Überschwemmungen, Stürmen, Dürren und Waldbränden, immer mehr Landstriche werden zunehmend unbewohnbar und die Zahl der sogenannten Klimaflüchtlinge nimmt zu.
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„Und wenn man dann die Fleischesser nach ihren Gründen fragt,
dann bleibt am Ende immer nur übrig:
,Weil’s halt so lecker ist.‘
Wollen wir unseren Enkelkindern in 40 Jahren auf die Frage,
warum wir die Erde aufgefressen haben, sagen:
,Weil’s halt so lecker war?‘“
Hagen Rether, Kabarettist
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Ende
April 2021 hat das Bundesverfassungsgericht klargemacht, dass die Politik jetzt handeln muss und notwendige Klimaschutzmaßnahmen nicht einfach in die ferne Zukunft verschieben darf. In einem
bahnbrechenden Urteil hat das Gericht das bestehende Klimaschutzgesetz in Teilen für verfassungswidrig erklärt, die Bundesregierung aufgefordert, es nachzubessern, und die Verantwortung des
Staates für die zukünftigen Generationen betont. In diesem Appell steckt eine klare Botschaft an uns alle: Wie die Welt morgen aussieht, hängt von den vielen kleinen und großen Entscheidungen ab,
die wir heute treffen. Wir alle stehen hier in der Pflicht, jede Mahlzeit und jeder Einkauf zählen.
Sich selbst und die eigene Familie pflanzlich zu ernähren ist die einfachste und effektivste Art, Tag für Tag nachhaltig Umwelt- und Klimaschutz zu betreiben und
zu einer Welt beizutragen, die auch für nachfolgende Generationen noch lebenswert ist.
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